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Dürrwicknitz brennt 1886 (Łužica 1891)

Der Acker war gepflügt und der Knöterich ausgesät. Mein Vater spannte das Pferd aus und reichte mir die Zügel. Dann setzte er sich auf den Ackerrand und zündete seine Pfeife an, welche ich ihm gestopft habe. Dies ist immer meine Aufgabe, wenn wir zusammen auf dem Feld sind. Vater war heute zufrieden mit mir und bald stiegen dichte bläuliche Rauchwölkchen in die klare Luft. Das Pferd wurde allmählich unruhig und scharrte mit den Beinen. Deshalb erhob sich Vater schnell und trug die Egge und anderes Arbeitsgerät zusammen auf die Pflugräder. Ich holte derweil meine Jacke, die Pflugrute und die Eisenharke. Wir vergewisserten uns nochmal, ob wir nichts vergessen haben und fuhren dann ab. Zu jener Zeit wollte ich sehr gern der Kutscher sein. Auch damals bat ich den Vater, mir die Zügel nicht zu nehmen. Er erlaubte es mir, ich musste ihm jedoch versprechen, die Pfeife immer so gut zu stopfen wie an diesem Tag. Ihr könnt euch sicher denken wie stolz ich daher schritt, doch Hans merkte bald wer ihn führt und wurde mutwillig. Vater musste ihn oft laut zurechtweisen. Im Kloster schlug es halb drei nachmittags. Vater wunderte sich, dass die Zeit noch nicht weiter fortgeschritten ist, aber so ist es eben: wenn es schön ist, geht alles schneller von der Hand und schön war es an diesem Tag, schön wie selten. Die Sonne schien so lieblich vom Himmel, dass es eine reine Freude war. Die ganze Schöpfung war ein Lachen und Lied und die Flur ein Segen! Wo aus Zschoch`s Teichen das Schilf rauscht, von da wehte uns fröhlicher Gesang der Erntearbeiter entgegen. Sie mähten Gerste und die Vögel unter dem Himmel sangen mit ihnen um die Wette, froh, wieder mal Gesang zu hören auf dieser Erde...

Wir fuhren auf den Hügel und Vater nahm mir die Zügel. Den Hügel herab fährt er immer selbst. Ich ging derweil hinter dem Pflug, damit nichts abhanden käme. Unwillkürlich blickte ich mich um. Bei Dürrwicknitz qualmte es. Vater sah sich auch um und meinte: "Da brennen wohl die Miltitzer Quecke." Ich schaute mich abermals um, aber es qualmte immer noch und mir schien es heftiger, als vorher. Dann waren wir schon im "Tiefen Weg" und sahen nichts mehr. Doch kaum fuhren wir vom Hügel, da hörten wir einen ungewöhnlichen Lärm und Rufen. Bevor wir uns versahen, kam schon die Wasserspritze vom Kschischnick und hinterließ eine dichte Staubwolke. Eine Menschenmenge lief hinterher. Nun wussten wir, was bei Dürrwicknitz qualmt. Schnell stieg ich ans Ufer und da bot sich mir ein schreckliches Bild. Gefährlicher Rauch wälzte sich aus Dürrwicknitz und nur hin und wieder loderten in ihm rote Flammen auf. Vier Gehöfte brannten. Die Wasserspritze, welche ich mit dem Vater gerade erst angetroffen habe, fuhr schon am Zschoch´s Heiligenbild vorbei.

Ich lief schnell wieder herab und eilte durch die offene Scheune in den Hof. Vater hatte das Pferd schon in den Stall getrieben und tränkte es. Dann warf er ihm noch eine Handvoll Klee zu, verschloss den Stall und ging ins Haus, um sich vorzubereiten. Er zog seine langen Stiefel an, warf sich seine blaue Wolljacke über die Schultern und wollte schon fortgehen. Die Großmutter brachte unterdessen Brot und Butter und schenkte Kaffee ein. Doch Vater nahm kaum etwas zu sich. Ich fragte, ob ich ihn begleiten darf. Ich durfte, doch nicht barfuß und ohne Jacke, um mich nicht zu erkälten. Das war eine liebe Not! Die Stiefel standen zwar hinter dem Ofen, aber wo war die Jacke?! Da musste wieder Großmutter bei der Suche helfen und im Ofenwinkel wurde sie fündig. Vater wartete schon an der Tür. Hinter den Tennen fiel uns auf, dass der Tabakbeutel fehlt. Ohne Messer und Pfeifentabak geht Vater nie aus dem Haus. Deshalb kehrte ich wieder um, aber als ich mich mit dem Beutel hinter der Scheune befand, war Vater nicht mehr zu sehen. Darum lief ich wieder auf den Hügel und quer durchs Panschwitzer Stoppelfeld zum Dürrwicknitzer Weg. Am "Mužikec" Feld holte ich Vater ein und aß nun meine Schnitte, welche mir Großmutter zugesteckt hatte. Bei Dürrwicknitz qualmte es immer mehr. Vater schritt schneller voran, ich hinterher. Da begann es aus Kuckau zu qualmen, es war die Crostwitzer Wasserspritze. Sie kam wie ein Ungetüm angerast. Vier Pferde waren eingespannt und zogen eine riesige hölzerne Wasserspritze, auf der eine Menge Leute saßen. Andere liefen hinterher, doch Einer nach dem Anderen blieb zurück. Mit denen kamen auch wir endlich in Dürrwicknitz an. Gleich das erste Gehöft brannte: glühende Funken und schwarzer Ruß flogen uns entgegen. Der bedauernswerte Besitzer, vor einer Weile noch ein wohlhabender Mann, rannte wie von Sinnen durchs Haus, zur Tür rein und raus. Es sollte ein letzter Abschied sein, weil dort in wenigen Stunden nur noch kahle Mauern stehen, dahinter Qualm und Asche.

Ja, so ist es auf der Welt: ein Stadtkind kann es nicht erwarten, endlich aus dem Haus zu kommen, es möchte in die Welt hinaus. Ein Dorfjunge hat Sehnsucht, wenn er in die nahe Stadt gebracht wird, und ein ergrauter Bauer verlässt mit Tränen in den Augen das Haus seiner Ahnen. Hier stand seine Wiege, die Großmutter erzählte ihm einst am Ofen Märchen, und der verstorbene Großvater schaukelte hier seinen Enkel auf den Knien...

Plötzlich leuchtet in den Fenstern etwas Rotes auf. Mein Gott! Da wird eine Wöchnerin mit einem weinenden Kind hinausgetragen! Andere mühen sich nach ihnen mit schweren Deckbetten über die Straße zum nahen Kartoffelfeld. Ich gehe bei Familie Witschas vorbei. Auch hier brennt es schon. Es ist das erste Gehöft auf der linken Seite; auf der rechten stehen schon sechs in Flammen, ein Gehöft und ein Gut nach dem anderen. Zwischen den Gehöften ist noch eines verschont geblieben, etwas in das Feld ausgebaut. Doch die Gefahr ist recht hoch. Vor ihm und von beiden Seiten brennt es. Hier soll die Feuerwehr beweisen, was sie kann. Ringsumher wütet das Feuer und strömt eine schreckliche Hitze aus; und derweil arbeitet die Feuerwehr, dass ihr der Schweiß vom Gesicht rinnt. Zum Glück gibt es hier genug Wasser, aber es ist auch der einzige Brunnen in Dürrwicknitz. Im Haus selbst schaut man unterdessen nicht untätig zu. Da räumt jeder alles aus, wichtige und alltägliche Dinge, wie das eben so ist, wenn man eilt und nicht weiß, was man tut. Die Tochter treibt die letzte Färse aus dem Hof, der mit beißendem Rauch erfüllt ist. Das andere Vieh wurde schon hinter der Scheune herausgezogen. Da stehen nun Pferde und Kühe, Ziegen und Kälber an zwei Leiterwägen angebunden; zwischen ihnen laufen Schweine umher, und auf dem Zaun flattert das Federvieh. Hinter dem kühlen Maisfeld stehen Bienenstöcke; doch selbst dort ist es den Bienen noch zu warm und unruhig brummend quälen sie alles, was ihnen in die Quere kommt. Das arme Vieh brüllt und blökt, wiehert und gackert so wehmütig, dass man weinen könnte. Doch niemand hat Zeit, sich der Tiere anzunehmen; wer nicht an der Wasserspritze ist, der hilft woanders. Im Garten liegt angehäufter Hausrat; so wie er fiel oder abgestellt wurde, so liegt da alles. Immer mehr wird zusammengetragen und der Haufen wächst. Manchmal klirrt zwar etwas, aber was soll´s, wenngleich der Glasschrank zu Bruch geht, Hauptsache er verbrennt nicht.

Die Sonne neigt sich zu den Bergen und brennt nicht mehr so wie tagsüber; auch das Feuer lässt nach. Hier und da erlischt schon die Flamme, und wo es noch glüht, wird die Glut bald erstickt. Die Gefahr ist abgewendet, das Gut blieb erhalten. Friede sei mit den Bewohnern und mögen sie nun alles wieder hinein tragen, was sie gerade umsonst hinaus trugen! Die Notwendigkeit war wieder groß und Zuschauer waren hier überall im Weg. Deshalb machte auch ich mich aus dem Staub und lief weiter ins Dorf. Hinter Delan`s brannten noch drei Gehöfte. Beim letzten blieb ich stehen. Hier war das Feuer ausgebrochen; am hellichten Tag; wie, das weiß niemand. Es wird erzählt, dass es durch Kinder entfacht wurde. An dieser Stelle brannte fast alles nieder. Das Strohdach ist schon längst zusammengestürzt und nur kahle, sehr glühende Balken stehen hier noch, aber auch diese bröckeln und stürzen ein Dachsparren nach dem anderen. In die schreckliche Hitze weht nur manchmal ein sanfter Wind und kühlt uns die erhitzte Stirn; aber das Feuer wird dadurch wieder genährt, neue glühende Funkenstrahlen kommen knallend aus den Flammen, zerstieben in der Luft und fliegen weit umher. Unterdessen prasselt es im Dachgebälk wie kochendes Wasser im Kessel, und kohlschwarze Körner des neuen Getreides rieseln in das verbrannte Gras! Unweit davon tobt das Vieh und winselt, Kinder weinen, überall herrscht Wehklagen...

Bis dahin habe ich kein größeres Feuer gesehen; einmal sah ich zwar zu, als Ostro brannte; aber nur von Weitem, ich ging nicht dahin. Heute sah ich das erste Feuer aus der Nähe, und was für eines! Ich schaute und schaute - und blieb wider Willen. Ich stand eine Weile wie im Traum. Plötzlich riss mich neues Getöse aus meinen Gedanken. Eine Menge Leute eilte herbei; ich wurde zur Seite geschubst, als ich reglos dastand; nach ihnen fuhr die Wasserspritze. Was tut sich da nicht? Nach Hause fahren sie doch nicht, da würden sie nicht so wüten. Sie fuhren zu Delan´s. Am frühen Abend nahm der Wind zu und wehte Delan´s einen Haufen Funken in den Hof. Bald leuchtete es auf dem Strohdach auf. Das Feuer verbreitete sich mit rasender Geschwindigkeit, und eine Wasserspritze konnte hier nichts bewirken. Außerdem war im Brunnen nicht mehr genug Wasser, man musste zum Teich. Der war aber weit entfernt. Alle anwesenden Wasserspritzen mussten sich gegenseitig unterstützen. Es waren etwa dreizehn, sogar die Königsbrücker Wasserspritze konnten wir hier sehen. Und wie viel Leute wurden erst mit ihnen gebracht und angetrieben! In ganz Dürrwicknitz wimmelte es von Fremden und - von Langfingern, welche sich solche Gelegenheit nicht entgehen lassen. Ja, doppelt gestraft sind die armen Leute, denen das Feuer das Haus, die Ställe und die Scheunen zerstörte, wenn ihnen ein gieriges diebisches Volk auch noch das nimmt, was sie sich mühsam aus den Flammen retteten. Delan´s lernten solche Menschen kennen, weil sie nun schon zum zweiten Mal räumten.

Das Feuer selbst wurde glücklich erstickt, und die Häuser erlitten nur wenig Schaden. Die Feuerwehr hatte getan, was sie konnte, und verdient alle Ehre und Lob. Der Wind legte sich, und die Sonne ging unter. Dunkelheit hüllte das ganze Land ein, und eine Wasserspritze nach der anderen fuhr nach Hause. Meinem Vater war während der ganzen Arbeit der Schweiß ausgebrochen, die Wolljacke war nun eine Wohltat. Bald brachen auch wir hinter der klösterlichen Wasserspritze auf. Dürrwicknitz war in Finsternis eingehüllt. Von Zeit zu Zeit leuchtete es noch hier und da auf, und in den glutroten Flammen zeigten sich die schaurigen kläglichen Ruinen verbrannter Häuser. Am blauen Himmel aber gingen die Sterne auf, der Mond führte sie und lächelnd schaute er mit gütigem Gesicht zur Erde; wie immer, als wäre nichts geschehen.

 

Autor: Mikławš Andricki (Łužica 1891)

Übersetzung aus dem Sorbischen: Ricarda Ziesch

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